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Ostern
Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu, war für die sächsische Gemeinschaft unseres Dorfes ein ganz besonderer Feiertag.
Am Gründonnerstag wurden gekochte Eier gefärbt ("Oier gelwen"), vor allem mit roter Farbe, denn vor 2000 Jahren, sollen die Hennen, der Überlieferung nach, aus Schmerz über den Tod Christi blutige Eier gelegt haben. (Die Frage ist, ob diese Sage einzig in Siebenbürgen überlebt hat; es heißt, die Siebenbürger Sachsen haben ein gutes Gedächtnis und vergessen fast nie etwas.) Zum Rotfärben der Eier verwendete man rote Späne, zum Grünfärben Küchenschelle und Zwiebelschalen zum Braunfärben.
Die Kleinkinder kamen auch nicht zu kurz, zu ihnen kam der Osterhase. Eifrig sammelten sie Moos, um daraus versteckt im Garten ein weiches Nestchen zu bauen; dieses wurde auch mit den ersten Frühlingsblumen schön geschmückt, damit der Osterhase es leichter finden und möglichst ungestört Süßigkeiten und gefärbte Eier hineinlegen möge.
Am Ostersonntag, um 10 Uhr, fand der Hauptgottesdienst statt, Alt und Jung nahm daran in der Festtracht teil. Im Mittelpunkt dieses Hauptgottesdienst stand das "Opfern". Hierbei schritt der Pfarrer, gefolgt von der ganzen Gemeinde, im Uhrzeigersinn um den Altar, auf den ein Festopfer gelegt wurde. Nach dem Gottesdienst wurden die Kleinen mit Lebkuchenhasen oder -herzen beschenkt. Aufmerksam folgte die ganze Gemeinde der Ansprache ("dem Ostergruß") des Pfarrers und Kurators vor dem Kirchenportal auf dem Kirchhof. Der Nachmittag war den Verwandtenbesuchen vorbehalten.
Im Gemeindesaal wurde am Abend ein Mundartstück aufgeführt, und die darauf folgende Tanzveranstaltung dauerte bis in die frühen Morgenstunden. Das war auch der erste Ball, an dem die konfirmierten Mädchen und Jungen teilnehmen durften. Sie erhielten auch einen Ehrentanz und bedankten sich dafür mit einem Lied. Am Morgen des zweiten Ostertags gingen die Männer, die Burschen, ja sogar die kleinen Knirpse "bespritzen" oder "begießen". Das Wasser spielte - neben dem Feuer - im Brauchtum des Jahres schon seit frühesten Zeiten eine große Rolle. Es hatte reinigende Kraft und sollte auch Wachstum und Fruchtbarkeit fördern. Früher nahm man nur Wasser, das man den Frauen und Mädchen über Kopf und Brust tröpfelte. Später ging man über zu wohlriechenden Wässerchen, wie Parfüms, Rosenwasser, Lavendel; oder man griff zurück auf so manches Geheimrezept der Mutter, die für ihre Kleinsten Wasser mit Orangenschale und Majoran ansetzte. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es weder für Berufstätige noch für die Schulkinder einen freien Ostermontag, und somit spielte sich das "Bespritzen" am Ostersonntag in aller Herrgottsfrüh ab. Die Mädel hüpften eifrig aus den Betten, damit die "Bespritzer" nicht an geschlossene Tore klopfen mussten. Die kleinen Jungen waren schon beim zweiten Hahnenschrei unterwegs, gerüstet mit einem Parfümgläschen und mit einem Beutel in der Hand. Mit einem freundlichen Ostergruß auf den Lippen, wagten sie sich in jedes Haus hinein, wo Mädchen wohnten, um sie zu bespritzen und dafür Süßigkeiten und gefärbte Eier zu erhalten.
Die Mädchen eilten mit Likör und Gebäck im Korb zur nächsten bereitwilligen Gastgeberin, in deren Wohnung sie dann die "Bespritzer" erwarteten. In kleineren oder größeren Gruppen Gleichaltriger gingen die "Knechte" singend durch die Straßen, manchmal begleitet von einer Ziehharmonika oder einem Akkordeon. Bei einer Vielzahl von Burschengruppen und Mädchenkränzchen musste das Geschehen in rascher Abfolge abgewickelt werden, denn bis zum Hauptgottesdienst musste die "Bespritzaktion" abgeschlossen sein.
Früher fand oft am Ostermontag auch der "Zugang" zu der Bruderschaft statt, bei dem die neu konfirmierten Burschen und Mädchen in die Bruderschaft bzw. Schwesternschaft "eingegrüßt" (aufgenommen) wurden.
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Pfingsten
Fünfzig Tage nach Ostern wurde Pfingsten gefeiert, ein nicht minder schönes Fest, das im Laufe der Zeit ein herausragender Sammelpunkt aller Mai- und Sommerfeste wurde. In Kleinscheuern war es vor dem Zweiten Weltkrieg üblich, dass zwei Gruppen der Bruderschaft zuständig waren für das "Birkenbringen". Jede Gruppe fuhr mit einem von einem Sechser- Gespann gezogenen Wagen in den Wald, um die in der Regel bereits am Freitagnachmittag gefällten Birken in die Gemeinde zu bringen. Kleinscheuern hatte viel Mischwald, und so war es nicht immer leicht, in dem von der Gemeindeverwaltung zugewiesenen Waldstück auch schöne Birken zu finden. Später, in der Nachkriegszeit, als die Bruderschaft verboten war, waren meist junge Burschen für das "Birkenbringen" zuständig. Vor jedem Haus, in dem Mädchen oder Burschen in jugendlichem Alter wohnten, wurde ein Birkenpaar aufgestellt. Es war eine recht mühsame Arbeit und keinesfalls ungefährlich, weil die jungen Burschen mit der Holzfällerarbeit zu wenig vertraut waren; zudem waren die Jugendlichen übermütig, und keiner wollte sich vor den Kameraden eine Blöße geben. Die während der Nacht und bis zum Morgengrauen aus dem Wald geholten Birken mussten an die richtigen Häuserfronten verteilt werden. Am Nachmittag des Pfingstsamstags wurden dann die Birken "paarweise" vor den Häusern in den Boden gerammt.
Die Arbeit geschah in mehreren Arbeitsgängen, wobei jeweils zwei Mann für einen Arbeitsgang zuständig waren. Von jeder Familie, vor deren Haus Birken aufgestellt wurden, erhielten die jungen Männer eine Geldspende, Kuchen und Getränke. Am Abend glich die Straße einer zauberhaften Allee, und der frische Birkenduft breitete sich über dem ganzen Dorf aus.
In der Kirche wurde eine große Birke an der Decke befestigt, die bis zu den Bänken herabhing. Altar, Kanzel und Taufbecken wurden mit frischen Birkenzweigen geschmückt. Vor 1945, als mitten in der Gemeinde noch der so genannte "Tanzplatz" (Tanzschuppen) stand, wurde auch dieser mit Birken geschmückt, je eine Birkenkrone wurde im Inneren über der Tanzfläche und über der Bühne, auf der die Musikkapelle spielte, befestigt. Am Pfingstsonntag fand der Festgottesdienst statt. Am Pfingstmontag nachmittags gab es eine Tanzunterhaltung, allerdings nur für die Jugend, wobei es immer sehr viele Zuschauer gab. Der Pfingstdienstag war eigentlich ein normaler Arbeitstag, aber für die Jugend war mittags schon Feierabend, denn um 13 Uhr begann schon wieder eine Tanzunterhaltung, die bis in die späten Abendstunden dauerte. Die Feierlichkeiten beschränkten sich in der Nachkriegszeit meistens nur auf den Pfingstsonntag. Am Abend fand der Pfingstball statt, in dessen Verlauf die Birkenbringer mit einem Ehrentanz gewürdigt wurden. Am Nachmittag des Pfingstmontags, wenn das Wetter es erlaubte, feierte die Jugend, vor allem die Birkenbringer mit ihren Freundinnen, am Waldrand bei Grill und Bier lustig weiter.
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Weihnachten
Mit dem ersten Schnee begannen die Kinder schon zu fragen, wie oft man noch schlafen müsse, bis das Christkind kommt. Bevor es aber dazu kam, galt noch, die strenge Prüfung des Nikolaus zu bestehen. Am Abend des 5. Dezember stellten die Kinder ihre blank geputzten Schuhe aufs Fensterbrett oder neben die Tür und erwarteten mit bangem Herzen sein Urteil. Waren sie "brav" gewesen, fanden sie am Morgen Äpfel und Nüsse, sogar einige Süßigkeiten darin; unfolgsamen Kindern hatte er eine Rute dazugelegt, die ganz schlimmen kriegten nur einen Stock.
Vor der Machtergreifung durch die Kommunisten begann die Vorbereitung auf das Fest in der Schule. Um 15 Uhr versammelten sich alle Schulkinder in ihren jeweiligen Klassen. Hier wurden die Gedichte und Weihnachtslieder noch einmal geübt, bevor sie in den Festsaal mit dem herrlich geschmückten großen Weihnachtsbaum traten. Der Weihnachtsbaum hatte nach dem Ersten Weltkrieg auch auf dem Lande Einzug in Kirchen und Bauernstuben gehalten. Die kleineren Kinder des Dorfes kamen mit ihren Eltern und füllten mit den Angehörigen der Schulkinder bald den ganzen Saal. Die ausgewählten Schulkinder sagten während der Feier ihre Gedichte auf. Schüler der siebenten Klasse trugen die Weihnachtsgeschichte vor. Gemeinsam wurden die schönen Weihnachtslieder "Oh, du fröhliche", "Ihr Kinderlein kommet" und natürlich "Stille Nacht" gesungen.
Alle im Saal waren erfüllt von der feierlichen Stimmung. Spannende Erwartung herrschte bei den Schulkindern, die ungeduldig auf die Bescherung am Ende des Abendgottesdienstes warteten. Geschenke waren in der Regel Kuchenherzen, Äpfel, Nüsse und Schulbedarf, wie Hefte, Stifte, Radiergummi, Lineal u. a.
Nach etwa zwei Stunden machte man sich auf den Nachhauseweg. Inzwischen war es dunkel geworden. In den Händen hielten die Kinder brennende Kerzen oder sogar funkensprühende Wunderkerzen. Der Schnee knirschte unter den Füßen.
In der Nachkriegszeit, nachdem die Schulen verstaatlicht wurden, fanden die meisten dieser vorweihnachtlichen Aktivitäten in der Kirche statt. Der Heilige Abend wurde mit kräftigem Glockenklang eingeläutet. Ganz viele Bewohner zog es zuerst auf den Friedhof hin, wo sie der Verstorbenen gedenken wollten. Selbst die Adjuvanten spielten an den Gräbern Weihnachtslieder, um so manchen Kameraden zu ehren und seiner zu gedenken. Es wurden viele Kerzen angezündet und auf den Gräbern befestigt. Der Friedhof glich einem Lichtermeer, und viele Tränen wurden heimlich fortgewischt. In tiefer Andacht gingen alle gemeinsam zum Abendgottesdienst. Hier warteten die Kinder schon ungeduldig am Kirchturmeingang, um vor versammelter Gemeinde ihre Lieder und Gedichte vorzutragen. Am Ende des Gottesdienstes wurden alle Kinder beschenkt, jedes bekam ein Päckchen mit Gebäck, Süßigkeiten, Äpfel und Nüsse; die Schulkinder erhielten auch einen Bleistift und ein Schreibheft. Auf dem Heimweg wünschten sich die Menschen noch frohe Weihnachtsfeiertage und eilten dann nach Hause, denn dort gab es für die Kinder noch eine Überraschung, den Christbaum und den Weihnachtsmann.
Die ganze Familie setzte sich um den Christbaum, jedes einzelne Kind sagte ein Weihnachtsgedicht und gemeinsam wurden Weihnachtslieder gesungen. Die Kinder schauten wie gebannt auf die Tür, hinter der bald das Glöckchen des Weihnachtsmannes erklingen musste. Die Türe wurde immer einen Spalt geöffnet, dann fragte der Weihnachtsmann mit tiefer Stimme jedes Kind einzeln: "Bist du auch immer lieb und brav gewesen ?, Wie steht es mit der Schule ?", oder "Kannst du ein Gebet aufsagen?" Waren alle Antworten zu seiner Zufriedenheit ausgefallen, warf er Äpfel und Nüsse durch die Türöffnung in den Raum. Manchmal gab es auch größere Geschenke, wie Lebkuchen mit bunten Bildern, Sachen für die Schule oder etwas zum Anziehen, kleine Stecken- oder Schaukelpferdchen oder eine selbstgefertigte Stoffpuppe. Die Familie feierte besinnlich mit den Kleinen bis in die späten Abendstunden. Die Jugendlichen trafen sich in Kränzchen zur Christnachtsfeier, die meist bis nach Mitternacht dauerte.
Am ersten Weihnachtstag in der Früh um 6 Uhr erklangen von neuem die Glocken und riefen zur Frühkirche. Aus allen Ecken kommend, schritten die Menschen, in Kirchentracht gekleidet und brennende Kerzen in der Hand haltend, über die verschneiten Dorfstraßen auf den Mittelpunkt der Gemeinde zum Gotteshaus zu, ein unbeschreiblich schönes Bild. Die Frühkirche wurde besonders feierlich gestaltet; die Adjuvanten spielten auf dem Kirchturm bekannte Weihnachtslieder. Die Kirche war festlich geschmückt. Von der Decke hing ein großer, aus Wintergrün-Kränzen zusammengesetzter Leuchter (Weihnachtsleuchter, auch Weihnachtsstern oder Lichtert genannt). Aufmerksam folgte man dem Krippenspiel, das die Lukas-Geschichte von Maria und Josef und die Geburt des Jesuskindes näher zu bringen versuchte. So mancher wird die Weihnachtsbotschaft, "Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen", auf diese Weise besser verstanden haben. Am selben Tag fand um 10 Uhr der Festgottesdienst statt.
Der erste Weihnachtstag wurde überwiegend in aller Stille gefeiert, den Nachmittag verbrachte man mit Verwandtenbesuchen. Am Abend traf sich dann Jung und Alt im großen Gemeindesaal, um sich das mit viel Geduld und Ausdauer einstudierte Theaterstück (in der Regel ein Mundartstück) anzuschauen und sich an den von der Tanzgruppe vorgeführten Tänzen zu erfreuen. Auf der anschließenden Tanzveranstaltung bot sich die Gelegenheit zu fröhlichem geselligen Beisammensein.
Der zweite Weihnachtsfeiertag, gleichzeitig auch Stefanstag genannt, war der Namenstagsfeier der Männer dieses Namens vorbehalten. Mitgliedern der Blaskapelle mit diesem Namen wurden Ständchen dargebracht.